Wie stark sich Gaming auf unsere Psyche auswirkt

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Die Menschen spielen seit jeher aufgrund ihrer Natur. Bereits vor dem Erscheinen des homo sapiens gab es das Spiel. Heute erschließen sich Kinder und Jugendliche durch analoge wie digitale Spiele die Welt. Je älter sie werden, desto komplexer werden die Spiele.

In Zeiten etlicher Videospielkonsolen und -entwickler sind Spiele so komplex geworden, dass sie teilweise ausschließlich für Erwachsene konzipiert sind. Einer der Gründe für die Faszination von Videospielen sind die diversen Auswirkungen des Gaming auf unsere Psyche. Denn nicht nur Kinder werden von Spielen stark beeinflusst.

Wenn Psycholog:innen den Wert von Videospielen erkennen

Die Psychologin Jessica Kathmann spielte in ihrer Kindheit schon Videospiele und konnte sich dadurch früh für sie begeistern. Heute erforscht sie Games aus der wissenschaftlichen Perspektive der Psychologie. Außerdem setzt sie als Psychologin Videospiele in ihrer eigenen Psychotherapie ein.
Die ersten positiven Erfahrungen mit Spielen als therapeutisches Instrument hatte sie bei der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in verschiedenen Einrichtungen.

Die Betroffenen hatten Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsmarkt einzugliedern und fühlten sich dadurch immensen Belastungen ausgesetzt. Kathmann merkte, so berichtet sie es in einem Interview mit Microsoft, dass Videospiele ein echter Türöffner waren, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Kathmann sah, dass die Jugendlichen sich vor allem mit Games beschäftigten, die in irgendeiner Weise etwas mit ihnen selbst zu tun hatten.

Sie spielten also meist Spiele, in denen sie kompensieren konnten, was ihnen im realen Leben, im Alltag, fehlte. Auch Spiele zu bestimmten Themen, die die Jugendlichen beschäftigten, wurden gezielt gespielt. Oft wählten die Jugendlichen, die Probleme hatten, Jobs zu finden und sich gebraucht zu fühlen, Games, die genau diese Lücke füllten. In den Spielen bekamen sie etwas zu tun, das Sinn stiftend wirkte. Sie bekamen das Gefühl von Kompetenz und Möglichkeiten aufgezeigt, produktiv handeln zu können.

Die menschlichen Grundbedürfnisse

Wie schon im zuvor erwähnten Interview betont Kathmann, dass nach einer psychologischen Theorie mindestens drei Grundbedürfnisse gestillt sein müssen, damit in einem Menschen befrieidgendes Wohlbefinden erzeugt werden kann.

Diese drei Bedürfnisse lauten:

  • Autonomie
  • Kompetenz
  • Eingebundenheit

Videospiele sind aufgrund ihrer Architektur in der Lage, diese drei Bedürfnisse effektiv zu stillen. Zum einen kann das eigene Handeln in vielen Videospielen frei bestimmt werden. Man denke dabei nicht allein ein Open World Games, die eine große, freie Welt zum Erkunden und Experimentieren bieten. Vielmehr sind diverse Spiele – oft Rollenspiele und Point and Click Adventure – so konzipiert, dass Spieler:innen durch bestimmte Handlungen bewusst den Spielverlauf unterschiedlich beeinflussen. Dieser freie Handlungsspielraum und die Folgen, die sich aus den eigenen Entscheidungen ergeben, stillen das Bedürfnis nach Autonomie.

Die Kompetenz der Spieler:innen wiederum ist gefragt, wenn es darum geht, für bestimmte Aufgaben im Spiel besser zu werden. Das können starke Gegner sein, die es zu bekämpfen gilt, aber etwa auch Rätsel die zu lösen oder Wege, die zu entdecken und zu erkunden sind. Je besser Spieler:innen werden und je mehr sich ein Spiel aufgrund der eigenen Fähigkeiten öffnet, desto kompetenter fühlt man sich.
Das dritte Bedürfnis schließlich, jenes nach Eingebundenheit, erfüllen Games aufgrund ihres sozialen Charakters.

Nicht jedes Spiel kann dieses Bedürfnis gleich gut befriedigen – vor allem Onlinegames wie LOL, Warzone 2 oder etliche weitere, die immer beliebter werden, sind jedoch bestens dafür geeignet. In ihnen kann sich über das Internet nicht nur mit eigenen Freund:innen verknüpft werden, um mit ihnen gemeinsam virtuelle Abenteuer zu erleben. Vielmehr lassen sich hier auch Fremde kennenlernen. Aus derlei Online-Kontakten werden nicht selten Bekanntschaften, die im „realen Leben“ zu echten Begegnungen und mitunter engen Freundschaften führen.

Erfolge und Gewinne

Ob allein oder im Team – gewinnen macht Spaß. Videospiele sind meist so konzipiert, dass man nach einer Zeit Erfolge einstreicht, egal wie „schlecht“ man anfangs vielleicht auch spielen mag. Diese Erfolge und Gewinne sind ein Anreiz, weiterzuspielen und noch besser zu werden. Bleiben ähnliche Achievements im echten Leben aus, können Videogames dabei helfen, Menschen mit geringem Selbstbewusstsein wieder mehr Hoffnung zu geben.

Zu sehen, dass „man etwas (schaffen) kann“ – selbst, wenn es nur virtuell ist – kann für etliche Menschen ein enorm wichtiges Erlebnis sein. Die Achievements, die Spieler:innen online erspielen, lassen sich oftmals dann auch mit der Community teilen. Bestimmte erspielte Trophäen etwa können auf diversen Plattformen im eigenen Account hinterlegt oder angezeigt werden. So sehen beispielsweise die verknüpften Online-Freunde, dass man diesen oder jenen starken Gegner zu Fall gebracht hat.

Der Umgang mit Gewinnen erfordert gleichzeitig aber auch Fingerspitzengefühl. Spieler:innen müssen hierbei etwa lernen, sich selbst zu beherrschen und mit ihren Erfolgen und Gewinnen nicht immer zu stark hausieren zu gehen. Man denke dabei etwa ans Glücksspiel. Auch das ist inzwischen „Gamifiziert“ – virtuell wird genauso viel, wenn nicht längst mehr gezockt als in Spielotheken.

Große Gewinne mit der Online-Community und vor allem engen Kontakten etwa auf Social Media zu teilen ist reizvoll. Doch Gewinner sollten die Gewinne erst einmal für sich genießen. So kann ein großer Gewinn selbst gefestigten Personen schnell „zu Kopf steigen“. Gemeint ist damit nichts anderes als: Unsere Psyche ist es, logischerweise, nicht gewohnt, mit großen Gewinnen souverän umzugehen. Es gilt daher, gezielt Maßnahmen zu ergreifen, die einen sachlichen und rationalen Umgang mit derlei Gewinnen fördern.

Das Schlüpfen in andere Rollen

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Neben der Befriedigung von Grundbedürfnissen und dem Erzielen von Erfolgen, spielt im Rahmen des Videospielens natürlich auch der Eskapismus eine entscheidende Rolle. Die Medienpsychologie weiß schon lange um den Wert des Eskapismus in der Mediennutzung. Obwohl der Begriff – im Deutschen oft als „Realitätsflucht“ bezeichnet – nicht selten negativ genutzt wird, weist ihm die Psychologie zunächst positive Attribute zu.

So wird Eskapismus im Rahmen des Videospielens etwa als Möglichkeit verstanden, durch ein Spiel eine gesunde Flucht aus dem Alltag zu nehmen. Dieser Alltag kann gespickt sein mit diversen Sorgen, Ängsten und Nöten. In einer fiktiven Spielwelt, die sich durchs Abtauchen in diese gar nicht so fiktiv anfühlen muss, können all die Probleme der Realität vergessen werden.
Selbst, wenn es nur eine gewisse Zeit ist, die Spieler:innen abtauchen, kann diese Erholungspause wichtig sein, um neue Kraft zu tanken. Oder um abzuschalten, Abstand zu gewinnen und danach mit neuen Augen auf die alten Probleme zu schauen.

Spiele bieten dafür häufig eine schöne Welt, die niemand von außen kaputtmachen kann. Diese Welt wird zum Rückzugsort und erhält damit echten therapeutischen Charakter. Spieler:innen sollten nur dann aufpassen und ihr Spielverhalten überdenken und anpassen, wenn sie merken, dass die virtuelle Welt zum eigentlichen Lebensmittelpunkt wird und dass das reale Leben vernachlässigt wird. Und damit kämen wir auch zum letzten Punkt und einigen praktischen Tipps, die Gamer:innen dabei helfen sollen, stets gesund zu spielen.

Wie Game gesünder spielen

In der Regel ist maßvolles Gaming keine Gefahr für die Gesundheit. Wird aber im Überfluss gezockt, leiden darunter unter Umständen Körper und Geist. Da es in diesem Beitrag um die Psyche ging, umfassen die folgenden Tipps auch keine Hinweise zu Ergonomie und Ähnlichem, sondern lediglich zur Förderung der psychischen Gesundheit.

• Spieler sollten sich vor, während und nach dem Spielen selbst reflektieren. Fragen, die man sich hierfür stellen kann, sind etwa: Warum möchte ich spielen? Was fühle ich beim Spielen? Was gibt mir ein Spiel? Kann ich etwas spielen, mit dem ich mich vielleicht besser fühlen würde?

• Einige Spiele sind mental aufwühlend und beschäftigen Gamer:innen noch Stunden nach der Spieleerfahrung. Solche Spiele kurz vor dem Schlafengehen zu spielen ist keine gute Idee. Andernfalls leidet der Schlafrhythmus unter dem Spielen – und es passiert genau das, was wir bereits erwähnt haben: Das Spiel wird wichtiger als die Realität.

• Ganz wichtig ist uns am Ende zu erwähnen: Wer das Gefühl hat, bei sich selbst ungesundes Spielverhalten zu beobachten, aber es nicht schafft, eigenständig dagegen anzugehen, sollte sich immer professionelle Unterstützung suchen. Therapeut:innen wissen heutzutage, dass so etwas wie Spielsucht keine Seltenheit mehr ist und können auch bei Gaming-spezifischen Probleme mit Fachwissen helfen.